Sasa Stanisic: Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne

Diese Art zu schreiben zu schreiben und erzählen, erinnert mich ein wenig an dies für mich typisch slavische. Und tatsächlich ist Stanisic halb Bosnier, halb Serbe. Mit diesem typisch Slavischen meine ich die ständige, leicht provokante Art. Nicht nur anderen Menschen gegenüber, sondern auch sich selbst. Immer wieder dies In-Frage-Stellen und diese abrupten Gedankensprünge. Ich mag das.

Und so Stanisic das handhabt, gefällt mir das besonders. Die einzelnen Geschichten sind nicht wahllos hintereinander gehängt, sondern es geht um ein Thema: Was hätte sein können? Das ist ein Thema, dass mich in diesen Tagen ebenfalls stark beschäftigt, denn kam der Roman gerade richtig 🙂

Erinnert mich stark an meinen Lieblingsphilosophen Kierkegaard, der sinngemäß sagte: Man muss das Leben nach vorne leben, kann es aber nur rückschauend verstehen.

Es ist, glaube ich, nicht das richtige Buch, um es so nebenher am Strand zu lesen. Dazu ist es zu anspruchsvoll, allein schon wegen der vielen einfließenden Gedanken. Aber ich finde es hochinteressant und es macht mir Freude, es zu lesen.

Nachdem ich jetzt erfahren habe, wie gut der Autor schreibt, werde ich mir jetzt wohl auch seinen Bestseller „Herkunft“ kaufen. Damals dachte ich: Schon wieder ein Roman über Krieg und seine Folgen. Ich war in der Zeit einfach nicht in der Stimmung noch mehr über Krieg zu lesen. Aber der Autor kann noch viel mehr als Kriegsschicksale zu beschreiben.

Sehr empfehlenswert!

ISBN: 978-3-630-87768-6

Mehr Infos zum Buch gibt es auf der Homepage von penguin.de

Inhalt:

Was wäre, wenn man nicht diese eine Entscheidung getroffen hätte, sondern jene andere? Was wäre, hätte man der Erwartung getrotzt?

Und dann ist da trotzdem die Furcht, feige gewesen zu sein, zu lange gezögert und etwas verpasst zu haben, ein besseres Ich, ein größeres Glück, die lustigeren Haustiere und Partner.

Saša Stanišić führt uns an Orte, an denen das auf einmal möglich ist: den schwierigeren Weg zu gehen, eine unübliche Wahl zu treffen oder die eine gute Lüge auszusprechen.

So wie die Reinigungskraft, die beschließt, mit einer Bürste aus Ziegenhaar in der Hand, endlich auch das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. So wie der Justiziar, der bereit ist zu betrügen, um endlich gegen seinen achtjährigen Sohn im Memory zu gewinnen. Und so wie der deutsch-bosnische Schriftsteller, der zum ersten Mal nach Helgoland reist, nur um dort festzustellen, dass er schon einmal auf Helgoland gewesen ist.

Am besten wäre ja, man könnte ein Leben probeweise erfahren, bevor man es wirklich lebt.

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